Bieler Tagblatt vom 07.07.2005, Ressort Wirtschaft

Swatch: Herbst-/Winter-Kollektion

Mit «Guerilla-Taktik» zum Erfolg


Die Swatch hat in den letzten Jahren an Boden verloren. Mit neuen Verkaufswegen und einer Straffung der Kollektionen will die Marke wieder Umsatz gewinnen.
Tobias Graden

«People have the power», singt Patty Smith am Sonntagabend in die Weite des Auditorium Stravinsky am Montreux Jazz Festival. Der ganze Saal singt mit - gleichermassen Althippies und Teenies, die nur wegen der folgenden Band Garbage gekommen sind. Patty Smith hat die Schranke zwischen den Generationen, die im ersten Teil des Konzerts spürbar war, überwunden.

Boden verloren

Was hat das mit Swatch zu tun? Die Bieler Uhren- und Schmuckmarke präsentierte an diesem Wochenende exklusiv die neue Herbst- und Winterkollektion. Und auch sie hat ein Generationenproblem: Während zu ihren Blütezeiten in den 1990er-Jahren jährlich 20 Millionen Swatch-Uhren produziert worden waren, sind es heute noch 13 Millionen. Die namengebende Marke der Swatch Group hat in der gruppeninternen Rangliste der umsatzstärksten Marken den ersten Rang an Omega abgeben müssen, wie Konzernchef Nick Hayek an der Bilanzpressekonferenz Ende April in Biel zugab. Laut der Wirtschaftszeitung «Cash» beträgt der Swatch-Jahresumsatz geschätzte 600 Millionen Franken, während Omega die Mil- liardengrenze erreicht hat. Nick Hayek sagte an dieser Bilanzpressekonferenz aber auch: «Wir nutzen diese Phase für kreative, spontane Aktionen, Swatch ist vital.»

Piratenflagge gehisst

Szenenwechsel. Auf dem Lac Léman vor Montreux schippert die ehemalige Arteplage Mobile Du Jura. Wie an der Expo.02 trägt sie stolz die Piratenflagge - nur prangt jetzt zusätzlich der Swatch-Schriftzug auf diesem Symbol der Freigeistigkeit.
Der Nonkonformismus als Geschäftsstrategie von Swatch: Diese Verbindung will die Bieler Marke wieder verstärken. Darum präsentiert Swatch die neuen Kollektionen auf diesem symbolträchtigen Ort.
Die gezeigten Uhren und Schmuckstücke sind neu nicht mehr nach Produktelinien unterteilt, sondern nach Modethemen. Diese lauten für die kommenden Monate: «Too Much», «Gentlemen's Club», «Metropolitan Nights» und «Romantic Moves». Rund um diese Themen haben die Swatch-Verantwortlichen jeweils passende identitätsstiftende Atmosphären kreiert. Im Falle von «Gentleman's Club» tönt das in der Werbesprache etwa so: «Guten Abend, Sir. Kommen Sie herein, schliessen Sie die Türe. Sie betreten eine ältere Welt, verfeinert und zivilisiert.» Die Uhren dazu verströmen Eleganz, eine gewisse Schwere, einen Hauch von Dandytum.
Auf den ersten Blick mögen diese Themen und das Design der Produkte beliebig erscheinen. Sie sind es nicht, beteuert Swatch-Sprecherin Carmen Daetetwyler: «Wir arbeiten mit mehreren Trendbüros in den wichtigsten Städten dieser Welt zusammen. Wenn mehrere von ihnen unabhängig voneinander einen kommenden Trend ausmachen, kreieren wir daraus ein Modethema, aus dem eine Kollektion wird.» Die Arbeit von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt - einer Swatch-Uhr oder einem Schmuckstück - dauert dabei gut anderthalb Jahre. Und wenn trotzdem ein Trend verschlafen werde, so Daetwyler, müsse eben innert eines halben Jahres eine Kollektion auf die Beine gestellt werden.

Sprunghaftes Publikum

Nicht nur bei den Kollektionen, auch bei den Vertriebswegen geht Swatch neue Wege. Davon zeugen die «Swatch Instant Stores», die in Montreux als exklusive Vorpremiere gezeigt werden. Diese Instant Stores bestehen aus Plastikelementen, die auf den ersten Blick und im umgelegten Zustand wie eine Sitz- oder Liegegelegenheit aussehen (und natürlich auch dazu genutzt werden können). Aufgestellt und aufgeklappt entpuppen sie sich aber als mobile Swatch-Verkaufsstände: Im Innern sind Uhren gelagert, auf der oberen Fläche werden sie präsentiert.
«Die Gesellschaft wird immer schnelllebiger, das Publikum immer sprunghafter», kommentiert Swatch seine neuste Entwicklung. Instant Stores werden darum nicht dauerhaft eingerichtet, sondern nur temporär - einige Stunden, allenfalls bis zu einem Jahr - an gerade angesagten Orten. Mit diesem «Guerilla-Konzept» könne Swatch «überall sich überraschend bietende Gelegenheiten» wahrnehmen, heisst es bei Swatch. Der erste offizielle Instant Store wird am 9. Juli in Berlin eröffnet, im «aufkeimenden und pulsierenden Berlin Mitte».